Mittwoch, 3. März 2010

Jetzt erst recht...

Zu diesem Post und zum bloggen allgemein bin ich ganz spontan durch die Meldungen über die Verfassungswidrigkeit der Voratsdatenspeicherung gekommen. Ich hab mich gefragt, ob die Piratenpartei, jetzt, da ihre Hypethemen Zugangserschwerungsgesetz und Voratsdatenspeicherung mehr oder weniger aufsehenerregend und ohne jegliches aktives Mitwirken der Piraten  ad Acta gelegt wurden, überhaupt noch benötigt wird.

Schließlich scheint ja auch alles so seinen Gang zu gehen: Die etablierten Parteien behaken sich gegenseitig ohne Rücksicht auf Verluste oder gar evtl. guter Ideen (Opposition verpflichtet! Wo kämen wir denn dahin, wenn man eine Idee der Konkurrenz gut findet, nur weil sie wirklich sinnvoll sein könnte...?), die Abgeordneten von den billigen Plätzen kommen mit dubiosen Ideen, die nichtmal simpelsten Stichproben von Laien standhalten, die Koalition setz Selbige mit dem Brecheisen in Gesetze um, nur damit die Nachfolgekoalition, sollte das Gesetz es noch nicht ganz durch den Geburtskanal der Legislative geschafft haben, Dieses mehr oder weniger stillschweigend wieder relativiert und das Bundesverfassungsgericht kassiert den sonstigen geistigen Abfall, der das Glück hatte, es mangels Wahljahr bis zum Gesetz geschafft zu haben. Im Endeffekt wird doch sowieo nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird und alles irgendwie gut... oder?

Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: "Ja, aber...".
Ja, die ganzen Hypethemen haben mehr oder weniger ein gutes Ende gefunden oder sind auf dem Weg dahin,  ja, das Bundesverfassungsgericht bleibt ein stabiles Bollwerk gegen die Eskapaden unserer Regierungen aller Couleur und ja, man kann sich immernoch sicher sein, daß alles, was die Regierung von gestern gesagt und getan hat mit dem Machtwechsel - und sei er auch nur partiell - keinerlei Bedeutung mehr hat.

Aber ist das wirklich gut so? Zum einen sind selbst die guten Wege, die diese beiden ausgewählten Themen nun scheinbar gehen, noch garnicht so sicher wie es den Anschein hat. Das Zugangserschwerungsgesetz, vermutlich der größte Anheizer und Mitgliederfabrik der Piratenpartei, ist nun, wenn auch verzögert, doch noch von Bundespräsident Horst Köhler unterschrieben worden. Die Parteien des Bundestages beschwören inzwischen zwar, dieses so nicht mehr zu wollen, zugunsten von "Löschen statt sperren" zu ändern oder es sogar ganz zu kippen, aber bei der Aufmerksamkeitspanne, die der Politiker von Welt üblicherweise an den Tag legt, gehe ich eigentlich davon aus, daß diese guten Vorsätze bis zum Sommer völlig in Vergessenheit geraten sind. Ihr Job in der Sache ist ohnehin getan: Das Gesetz hat den Bundestag und auch den Bundesrat passiert und lag letztlich bloß noch im Posteingang des Bundespräsidenten, wo es Staub ansetzte. Nun ist es unterzeichnet und wird damit zu einem Gesetz. Möglich, daß es keiner mehr will und es vllt. auch garnicht mehr angewandt wird, aber es wird da sein und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Gras darüber gewachsen ist und übereiffrige Innenminister und Polizeipräsidenten darüber stolpern und es klammheimlich anwenden können.

Auch beim gekippten Zugangsershwerungsgesetz ist nicht alles Gold was glänzt: Die gespeicherten Daten müssen zwar gelöscht und dürfen so nicht wieder erhoben werden, aber die Begründung des Urteils lässt doch einige Schlupflöcher. So bejaht es z.B. ausdrücklilch die Interessen der Musikindustrie an eben diesen Verbindungsdaten. Letztlich ist "nur" die verdachtslose Speicherung der Daten als Verfassungswidrig klassifiziert worden und es wird nicht lange dauern, bis findige Anwälte Verdächtigungen gegen alle denkbaren Untermengen der Bevölkerung ersonnen und niedergeschrieben haben um alle diese Daten wieder zu erheben und, noch besser, auch ein berechtigtes Interesse daran zu haben, darauf zuzugreifen.

Zum Anderen lässt mich die gelebte Praxis der Politik doch stark daran zweifeln, daß die erzielten Ergebnisse mehr sind als nur Glückstreffer. Seit Jahrzehnten wird Deutschland von Parteien regiert, deren einziger Sinn und Zweck es zu sein scheint, sich selbst an der Macht zu halten. Diese Parteien sind durch die Bank hierarchisch organisiert. Es wird gemacht, was die aktuelle Führungsspitze will und damit basta! Der Begriff "Führerprinzip" drängt sich hier gradezu auf. Ich will damit keineswegs die Hierarchie als solche kritisieren, ist sie doch unbedingt nötig, um einen eingeschlagenen Weg mit vielen Beteiligten sinnvoll und ergebnisorientiert gehen und das gesteckte Ziel erreichen zu können. Es will sich mir nur nicht einprägen, warum eine breite Basis dafür da sein soll, die Wünsche einiger weniger Eliten umzusetzen. Wir leben in einer Demokratie und hier soll ja angeblich "alle macht vom Volke" ausgehen. Für mich heißt das eigentlich, daß eine Führungsspitze alles erdenkliche zu unternehmen hat, um die Wünsche des Volkes, oder analog der Basis, umzusetzen. Diesen demokartischen Grundgedanken vermisse ich in allen etablierten Parteien, deren einziger demokratischer Ansatz darin zu bestehen scheint, durch turnusmäßige Wahlen zu entscheiden, wer grade der Oberhäuptling sein und sich an den Fleischtöpfen der Macht bedienen darf.

Bei diesem Hauen und Stechen, das wir Politik nennen, ist es nurnoch Glück oder die Macht des Stärkeren (und auch hier wieder das Glück, das grade der Stärkere den "guten Einfall" hatte), wenn mal etwas Sinnvolles zustande kommt. Man kann sich nicht für alle Ewigkeit darauf verlassen, daß die Nachfolgeregierung den Nonsens der Vorgänger wieder glatt zieht oder das das Verfassungsgericht als letztes Bollwerk uns auf ewig davor schützt. Irgendwann wird auch das stärkste Bollwerk von der rauhen See unterspült und ausgehölt werden und spätestens dann ist nichts mehr, was uns lieb und teuer ist noch sicher vor den Interessen derjenigen, die das Glück hatten, grade dann am richtigen Hebel zu sein.

Und genau aus diesem Grund ist die Piratenpartei noch längst nicht überflüssig sondern nötiger denn je. Schließlich ist sie die einzige Partei, die sich zu den Interessen ihrer Basis bekennt und auch nur im Sinne Dieser handelt. Keine andere Partei ist aus sich heraus so sehr auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Vorgänge bedacht und auch keine andere Partei sieht unser Grundgesetz derart als eines der höchsten Güter, die man überhaupt haben kann. Sicher, die Forderungen nach Trasparenz und Rechtstaatlichkeit und auch immerwieder der Verweis auf Verfassungskonformität ist nicht neu und wurde schon von jeder Partei verwendet. Aber die Piraten sind meines Wissens bisher die Einzigen, die sich selbst daran messen lassen und diese hehren Ziele wirklich leben. Wo sonst kann ein Vorstandsmitglied wegen intransparenter Absprachen von der Basis so sehr angefahren werden und der restliche Vorstand sorgt nicht etwa für Ruhe, sondern dafür, daß die Vorgänge aufgeklärt werden? Wo sonst kann ein Amtsträger der Partei ausgiebig diskutieren und sich sogar völlig verrenen, ohne dafür aus seinem Amt gejagt zu werden wenn er seinen Fehler einsieht und korrigiert?

In den Piraten sehe ich das, was eine starke Demokratie braucht um auf dauer bestehen zu können: Diskussion auf allen Ebenen und vor allem auch Ebenenübergreifend, nachvollziehbare Vorgänge und basisdemokratische Entscheidungsfindung.