Montag, 30. Juli 2012

Tabula Rasa

Die Einschläge kommen immer näher. Das von mehr oder weniger unbedeutenden Finanzexperten regelmäßig gewarnt wird, dass die europäischen Staaten endlich etwas tun müssen um Europa nicht vor die Hunde gehn zu lassen, ist nichts Neues. Die warnenden Persönlichkeiten werden aber inzwischen immer prominenter und jüngst hat auch der Luxemburgische Ministerpräsident und Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, deutliche Worte - vor allem Richtung Deutschland - gefunden.

Verwunderlich ist das nicht, da grade die Deutsche Regierung aus Union und Liberalen sich im Strom der Krise treiben zu lassen scheint und lieber den ESM einen guten Mann sein lassen will, anstatt selbst auf den Tisch zu hauen und sich mit starken Aktionen endlich mal freizuschwimmen.

Der kleine Koalitionspartner scheint zwar von mehr Tatendrang beseelt, aber auch diese Vorstöße wirken Kopflos und wenig zielorientiert. Ob die Regierung allerdings wirklich so tatenlos ist wie es den Anschein erweckt, lässt sich aber nur schwer fixieren. Grade die Äußerungen der letzten Wochen, in denen bereits offen über ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro spekuliert wurde, schüren den Verdacht, dass dieses Vorgehen Methode hat: Griechenland ist bis an die Leistungsgrenzen ausgepresst, nun ist Spanien dran, so lange "gerettet" zu werden, bis nichts mehr zu retten ist.

Vor allem, wenn man sich den Geldfluss des Rettungsschirms genauer anguckt wird klar, dass hier - wie schon 2008 - vor allem unsere Banken profitieren. So gehen von den bisher aus dem Rettungsschirm ausgezahlten 45 Mrd. € stolze 81% direkt retour an diverse Banken und auch an die EZB. Natürlich inkl. Zinsen. Logisch: der griechische Staat hat nunmal seine Verbindlichkeiten überwiegend bei Kreditinstituten, die seine Staatsanleihen als lukrative Anlagen nutzten. Das ändert aber nichts daran, dass der Rettungsschirm, der hier einspringt, mit Steuermitteln gefüttert werden muß, was letztlich auf eine erneute Sozialisierung der Risiken der Banken hinausläuft.

2008 wurde dies noch - durchaus nachvollziehbar - als Systemrelevant bezeichnet. Klar: Wenn die Banken pleite gehn gibt es auch keine Kredite mehr für die echte Wirtschaft, welche folglich nicht mehr in ihre Produktion investieren können. Ob ein ständiges Retten der "Too-Big-To-Fail"-Banken durch den Steuerzahler aber die einzige Möglichkeit ist, darf inzwischen bezweifelt werden.

Island hat bewiesen, dass es auch anders geht. 2010 hat der von akuter Pleite bedrohte Staat tabula rasa gemacht, seine Landsbanki pleite gehen lassen und diese dann verstaatlicht. Auf den Verlusten blieben die  überwiegend aus Großbritannien und den Niederlanden stammenden Investoren sitzen. Bemerkenswerte Anekdote: Das wurde per Volksentscheid mit 93% Zustimmung beschlossen. Da half auch keine Säbelrasseln und sogar erste Strafmaßnahmen des IWF nichts. Heute steht Island wieder relativ gut da: Es gibt Wachstum und Arbeit und der Staat hat finanziell wieder Luft.

Warum so ein Schritt hierzulande nicht mal in Erwägung gezogen wird (von einer urdemokratischen Volksabstimmung nochmal ganz zu schweigen) bleibt aber im verborgenen. Vermutlich ist der Einfluss der Bankenlobby auf die Bundesregierung einfach zu groß um öffentlich über so etwas nachdenken zu dürfen. Wenn es allerdings so weiter geht wie bisher, wird Deutschland und auch allen anderen Staaten der EU kaum etwas anderes als radikale Wege übrig bleiben, wenn die Länder nicht vollends vor die Hunde gehen sollen.

Genauer betrachtet ist dieser Schritt auch garnicht so Radikal, wie er zunächst anmutet. Er bedeutet eigentlich nur, dass die Anleger, die mit riskanten Kapitalanlagen Geld verdienen wollten, auch endlich mal das Risiko tragen müssten, auf das sie sich eingelassen haben. Dadurch wird nichtmal das "System" an sich ernsthaft gefährdet: Nachdem die Verantwortlichen für ihre Ausfälle selbst aufgekommen sind kann der Staat die Bankenanteile der Reihe nach wieder privatwirtschaftlich gewinnbringend veräußern und so das Staatssäckel reichlich füllen. Es wäre viel Druck aus der Krise (sofern es sie dann immer noch gibt) genommen, die Realwirtschaft könnte weiter Investieren und hunderte Milliarden schwere Rettungsschirme wären obsolet.

Natürlich wäre der Rest Europas und besonders die aktuellen Geberländer ... sagen wir "not amused"..., würden die Kröte aber schlucken müssen und könnten dadurch gedrängt werden, ebenfalls endlich wirksame Maßnahmen in ihren Ländern durchzusetzen. Letztlich müssten sie alle einsehen, dass ein starkes Europa, von dem schließlich alle profitieren, nie ohne die größte Volkswirtschaft des Kontinents funktionieren würde. Selbst ein Alleingang Deutschlands würde also alles andere als den Untergang des christlichen Abendlandes bedeuten.

Montag, 23. Juli 2012

€ulen nach Athen tragen

Inzwischen wird selbst im Bundestag nicht mehr ausgeschlossen, was lange als undenkbar galt. Jetzt ist es eine offenbar ernstzunehmende Option, Griechenland aus der Wähungsunion zu schmeißen.

Noch vor wenigen Monaten wurde in allen Medien vorgerechnet, dass ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone Europa - und allen voran Deutschland - noch viel mehr kosten würde als die Rettungsschirme. Das scheint nun alles vergessen und der Austritt wird als reale Option gehandelt, wenn Griechenland die Vorgaben der Troika nicht umsetzt.

Dabei ist Griechenland sogar massiv dabei, umzusetzen, was sich irgendwie umsetzen lässt - koste es was es wolle. Das Ergebnis ist aber, dass die Wirtschaft regelrecht ausblutet - was die Einnahmen des Staates drückt - und die Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau gestiegen ist - was wiederum die Ausgaben Griechenlands anschwillen lässt. Was sich die Troika davon verspricht bleibt schleierhaft. Vermutlich geht es nur darum, aus dem dem Exitus nahen Patienten noch so viel Schuldentilgung wie möglich zu quetschen. Was mit dem Land selbst passiert, scheint zweitrangig zu sein.

Warum der IWF und die Zahlerländer sich grade jetzt sträuben, Griechenland weiterhin retten zu wollen, nachdem sie in mehreren Runden bereits hunderte Milliarden in die Rettungsschirme gekippt haben ohne mit der Wimper zu zucken, ist ebenfalls unklar. Aus der aktuellen Lage könnte man schließen, dass mit Spaniens Hilferuf Griechenland zu unwichtig geworden ist und man lieber versucht, das wirtschaftlich wichtigere Land zu stützen. Mit dem Austritt Griechenlands stünde schließlich wieder bisher gebundenes Geld zur Verfügung und man ist eine Last los.

Andererseits haben die Entscheider der Troika vllt. auch erkannt, dass Griechenland schlicht ausgepumpt ist, nehmen jetzt den Crash in Kauf und versuchen dann auf direktem Weg unsere Banken zu retten - so wie sie es 2009/2010 schon mit der Immobilenkrise gemacht haben. Getreu dem Motto: Never change a running system.

Das der IWF und die deutsche Regierung nicht mehr fest auf Kurs bleiben bestätigt meine schon länger gehegten Befürchtungen: Einen Königsweg aus der Schuldenkrise gibt es schlicht nicht. Egal wie man versucht, heraus zu kommen, es wird verdammt weh tun und - so wie es angegangen wird - sollen diese Schmerzen hauptsächlich die Gering- und Normalverdiener zu spüren bekommen.