Mittwoch, 1. August 2012

Geiz ist geil?

Wieder mal schwappt ein kleiner bis mittlerer Shitstorm über die Piraten. Der Grund dafür sind Forderungen an Abgeordnete, doch einen Teil ihrer Einküfte der Partei zu spenden.
Klar, dass hochtrabend klingende Bezüge und Diäten (z.B. 9500€ im NRW-Landtag und immerhin 7.960€ im Bundestag zzgl. 4096€ Kostenpauschale etc.) Begehrlichkeiten wecken und man sich hier flugs mehr in einer Neiddebatte statt in einer sachlichen Diskussion wiederfindet.



Ganz ehrlich: Ein Abgeordneter, der seine Arbeit macht, hat diese Bezüge mehr als verdient. Die Tage sind lang, die zu bearbeitenden Akten umfangreich und überall werden von politischen Gegnern Fettnäpchen gelegt, um dann gnadenlos verbal über einen herzufallen, der mal in ein solches getreten ist. Wenn es nach mir ginge, dürften alle Abgeordneten sogar noch viel mehr verdienen.

Außerdem darf man auch nicht vergessen, dass sich die frischen Mandatsträger auch wahrlich den Allerwertesten aufgerissen haben um für die Partei eben jenes Mandat zu erringen, ganz zu schweigen von den vielen Aufgaben und Verantwortungen, die ihnen meist innerparteilich überhaupt erst das Vertrauen für eine Spitzenkandidatur eingebracht haben. Natürlich sollen sie nun auch neidlos ihre verdienten Einkünfte beziehen dürfen.

Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Abgeordneten erst durch die gemeinschaftlichen Anstrengungen der Parteibasis im Wahlkampf (aber auch davor und danach) überhaupt erst in diese Position kamen. Die jüngsten Wahlerfolge in den Landtagen und Kommunen haben wir als Piraten gemeinsam erreicht. Ich will hier garnicht für eine Umverteilung der nun zu erntenden Früchte in Form von Abgeordnetenbezügen plädieren, aber auch ein Abgeordneter sollte ein Interesse daran haben, dass die Arbeit der Partei durch den Erfolg möglichst gestärkt weiter gehen kann.

Ansagen, einzelne Projekte gezielt unterstützen zu wollen, mögen zwar ehrlich gemeint sein, muten aber doch willkürlich und Tageslaunenabhängig an. Außerdem werden die einzelnen Gliederungen der Partei dadurch zu Bittstellern degradiert, die zu guter letzt dann noch um die Gunst der Abgeordneten für ihre Projekte konkurrieren müssen. Je nach Fokus des wohlgesonnenen Volksvertreters ist es vorprogrammiert, dass so mancher Kreis- oder Landesverband oder auch mal der Bund mit seinen jeweiligen Nöten dabei hinten runter fällt.

Nicht zweckgebundene Spenden hätte dagegen den Vorteil, daß man diese unvorbelastet und gleichberechtigt z.B. Anhand des Verteilerschlüssels für Mitgliedsbeiträge (Bund 40%, Land 20%, Bezirk 10%, Kreis 10%, Ort 20%) vergeben kann und so allen Ebenen eine faire Partizipation an diesen ermöglichen würde.

Eine unverbindliche Aufforderung in der Satzung - analog zur 1% Spendenaufforderung für "normale" Mitglieder - schüfe hier einen Orientierungsrahmen, der sich schnell etablieren und Abgeordnete auch nicht über Gebühr belast würde. Außerdem bliebe so immernoch genug Spielraum, für die den Mandatsträgern wichtigen Projekte, Spenden punktuell umzuleiten.

Montag, 30. Juli 2012

Tabula Rasa

Die Einschläge kommen immer näher. Das von mehr oder weniger unbedeutenden Finanzexperten regelmäßig gewarnt wird, dass die europäischen Staaten endlich etwas tun müssen um Europa nicht vor die Hunde gehn zu lassen, ist nichts Neues. Die warnenden Persönlichkeiten werden aber inzwischen immer prominenter und jüngst hat auch der Luxemburgische Ministerpräsident und Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, deutliche Worte - vor allem Richtung Deutschland - gefunden.

Verwunderlich ist das nicht, da grade die Deutsche Regierung aus Union und Liberalen sich im Strom der Krise treiben zu lassen scheint und lieber den ESM einen guten Mann sein lassen will, anstatt selbst auf den Tisch zu hauen und sich mit starken Aktionen endlich mal freizuschwimmen.

Der kleine Koalitionspartner scheint zwar von mehr Tatendrang beseelt, aber auch diese Vorstöße wirken Kopflos und wenig zielorientiert. Ob die Regierung allerdings wirklich so tatenlos ist wie es den Anschein erweckt, lässt sich aber nur schwer fixieren. Grade die Äußerungen der letzten Wochen, in denen bereits offen über ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro spekuliert wurde, schüren den Verdacht, dass dieses Vorgehen Methode hat: Griechenland ist bis an die Leistungsgrenzen ausgepresst, nun ist Spanien dran, so lange "gerettet" zu werden, bis nichts mehr zu retten ist.

Vor allem, wenn man sich den Geldfluss des Rettungsschirms genauer anguckt wird klar, dass hier - wie schon 2008 - vor allem unsere Banken profitieren. So gehen von den bisher aus dem Rettungsschirm ausgezahlten 45 Mrd. € stolze 81% direkt retour an diverse Banken und auch an die EZB. Natürlich inkl. Zinsen. Logisch: der griechische Staat hat nunmal seine Verbindlichkeiten überwiegend bei Kreditinstituten, die seine Staatsanleihen als lukrative Anlagen nutzten. Das ändert aber nichts daran, dass der Rettungsschirm, der hier einspringt, mit Steuermitteln gefüttert werden muß, was letztlich auf eine erneute Sozialisierung der Risiken der Banken hinausläuft.

2008 wurde dies noch - durchaus nachvollziehbar - als Systemrelevant bezeichnet. Klar: Wenn die Banken pleite gehn gibt es auch keine Kredite mehr für die echte Wirtschaft, welche folglich nicht mehr in ihre Produktion investieren können. Ob ein ständiges Retten der "Too-Big-To-Fail"-Banken durch den Steuerzahler aber die einzige Möglichkeit ist, darf inzwischen bezweifelt werden.

Island hat bewiesen, dass es auch anders geht. 2010 hat der von akuter Pleite bedrohte Staat tabula rasa gemacht, seine Landsbanki pleite gehen lassen und diese dann verstaatlicht. Auf den Verlusten blieben die  überwiegend aus Großbritannien und den Niederlanden stammenden Investoren sitzen. Bemerkenswerte Anekdote: Das wurde per Volksentscheid mit 93% Zustimmung beschlossen. Da half auch keine Säbelrasseln und sogar erste Strafmaßnahmen des IWF nichts. Heute steht Island wieder relativ gut da: Es gibt Wachstum und Arbeit und der Staat hat finanziell wieder Luft.

Warum so ein Schritt hierzulande nicht mal in Erwägung gezogen wird (von einer urdemokratischen Volksabstimmung nochmal ganz zu schweigen) bleibt aber im verborgenen. Vermutlich ist der Einfluss der Bankenlobby auf die Bundesregierung einfach zu groß um öffentlich über so etwas nachdenken zu dürfen. Wenn es allerdings so weiter geht wie bisher, wird Deutschland und auch allen anderen Staaten der EU kaum etwas anderes als radikale Wege übrig bleiben, wenn die Länder nicht vollends vor die Hunde gehen sollen.

Genauer betrachtet ist dieser Schritt auch garnicht so Radikal, wie er zunächst anmutet. Er bedeutet eigentlich nur, dass die Anleger, die mit riskanten Kapitalanlagen Geld verdienen wollten, auch endlich mal das Risiko tragen müssten, auf das sie sich eingelassen haben. Dadurch wird nichtmal das "System" an sich ernsthaft gefährdet: Nachdem die Verantwortlichen für ihre Ausfälle selbst aufgekommen sind kann der Staat die Bankenanteile der Reihe nach wieder privatwirtschaftlich gewinnbringend veräußern und so das Staatssäckel reichlich füllen. Es wäre viel Druck aus der Krise (sofern es sie dann immer noch gibt) genommen, die Realwirtschaft könnte weiter Investieren und hunderte Milliarden schwere Rettungsschirme wären obsolet.

Natürlich wäre der Rest Europas und besonders die aktuellen Geberländer ... sagen wir "not amused"..., würden die Kröte aber schlucken müssen und könnten dadurch gedrängt werden, ebenfalls endlich wirksame Maßnahmen in ihren Ländern durchzusetzen. Letztlich müssten sie alle einsehen, dass ein starkes Europa, von dem schließlich alle profitieren, nie ohne die größte Volkswirtschaft des Kontinents funktionieren würde. Selbst ein Alleingang Deutschlands würde also alles andere als den Untergang des christlichen Abendlandes bedeuten.

Montag, 23. Juli 2012

€ulen nach Athen tragen

Inzwischen wird selbst im Bundestag nicht mehr ausgeschlossen, was lange als undenkbar galt. Jetzt ist es eine offenbar ernstzunehmende Option, Griechenland aus der Wähungsunion zu schmeißen.

Noch vor wenigen Monaten wurde in allen Medien vorgerechnet, dass ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone Europa - und allen voran Deutschland - noch viel mehr kosten würde als die Rettungsschirme. Das scheint nun alles vergessen und der Austritt wird als reale Option gehandelt, wenn Griechenland die Vorgaben der Troika nicht umsetzt.

Dabei ist Griechenland sogar massiv dabei, umzusetzen, was sich irgendwie umsetzen lässt - koste es was es wolle. Das Ergebnis ist aber, dass die Wirtschaft regelrecht ausblutet - was die Einnahmen des Staates drückt - und die Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau gestiegen ist - was wiederum die Ausgaben Griechenlands anschwillen lässt. Was sich die Troika davon verspricht bleibt schleierhaft. Vermutlich geht es nur darum, aus dem dem Exitus nahen Patienten noch so viel Schuldentilgung wie möglich zu quetschen. Was mit dem Land selbst passiert, scheint zweitrangig zu sein.

Warum der IWF und die Zahlerländer sich grade jetzt sträuben, Griechenland weiterhin retten zu wollen, nachdem sie in mehreren Runden bereits hunderte Milliarden in die Rettungsschirme gekippt haben ohne mit der Wimper zu zucken, ist ebenfalls unklar. Aus der aktuellen Lage könnte man schließen, dass mit Spaniens Hilferuf Griechenland zu unwichtig geworden ist und man lieber versucht, das wirtschaftlich wichtigere Land zu stützen. Mit dem Austritt Griechenlands stünde schließlich wieder bisher gebundenes Geld zur Verfügung und man ist eine Last los.

Andererseits haben die Entscheider der Troika vllt. auch erkannt, dass Griechenland schlicht ausgepumpt ist, nehmen jetzt den Crash in Kauf und versuchen dann auf direktem Weg unsere Banken zu retten - so wie sie es 2009/2010 schon mit der Immobilenkrise gemacht haben. Getreu dem Motto: Never change a running system.

Das der IWF und die deutsche Regierung nicht mehr fest auf Kurs bleiben bestätigt meine schon länger gehegten Befürchtungen: Einen Königsweg aus der Schuldenkrise gibt es schlicht nicht. Egal wie man versucht, heraus zu kommen, es wird verdammt weh tun und - so wie es angegangen wird - sollen diese Schmerzen hauptsächlich die Gering- und Normalverdiener zu spüren bekommen.

Freitag, 17. Februar 2012

Die Würde des Amtes

Jetzt ist es so weit. Nach langem hin und her ist Bundespräsident Christian Wulff zurückgetreten. Die Meisten dürften das inzwischen mit Erleichterung aufnehmen, sei es weil sie ihn von Anfang an abgelehnt haben oder weil sie bloß von dem medialen Gezerre genervt sind.

Ein Gezerre war es auf jeden Fall. Vor allem da sich die Presse unter der Redelsführerschaft von Springer bzw. der Bild-Redaktion den Rücktritt Wulffs ganz offensichtlich auf die Fahnen geschrieben hat. Christian Wulff hat ja bekanntermaßen in seinem Anruf bei der Bild-Redaktion mit einem Bruch gedroht. Den Fedehandschuh hat Springer bzw. die ganze Presse offenbar aufgehoben und mit immer neuen Recherchen zu oft auch kleinlichen oder nur entfernt mit Wulff in Beziehung zu bringenden Skandalen und Skandälchen beantwortet. Dieses Aufbauschen z.T. belangloser Vorfälle hat die Causa Wulff am Leben gehalten und war Auslöser für viele entnervte Reaktionen in der Bevölkerung.

Nun kam um 11 Uhr der Rücktritt des Präsidenten und dies nicht etwa weil sein Gewissen aufgrund der vielen Kleinigkeiten (zugegeben - ein paar waren auch gar nicht mal so klein wenn man das mal mit der unter Höchststrafe stehenden Vorteilsnahme vergleicht, der sich normale Beamte bereits schuldig machen können) so arg belastet war sondern einzig wegen des Antrags der Staatsanwaltschaft Hannover, Wulffs Immunität aufzuheben. Jetzt bröckelt sein Rückhalt sogar in den eigenen Reihen und alte Parteigefährten wenden sich von ihm ab. Er stünde also - wäre er nicht zurückgetreten - schon in der Folgewoche allein auf weiter Flur und müßte eine baldige Abwahl durch die Bundesversammlung befürchten; das Einzige, was für Ihn vermutlich noch peinlicher als ein Rücktritt geworden wäre.

Der Präsident ist tot, es lebe der Präsident?
Die Frage, ob und wie durch Christan Wulff die Würde des Amtes des Bundespräsidenten beschädigt wird schwebt schon durch die Medien seit bekanntwerden seines dubiosen Privatkredits. Wird sie beschädigt, weil er einen (oder mehrere) Fehler gemacht hat? Wird sie beschädigt, weil er Vorteile in Anspruch genommen hat, die ihm von reichen "Freunden" oder Firmen ungefragt zugetragen wurden? Oder wird sie beschädigt, weil jetzt die Staatsanwaltschaft ermitteln will? Keines dieser Dinge beschädigt das Amt an sich. Ihre Summe trägt höchstens zur Vergrößerung des ohnehin schon entstandenen Schadens bei ohne aber seine Ursache zu sein.

Die letzten Verfechter Wulffs als Bundespräsidenten hatten immer das selbe Argument: "Ist doch nicht so schlimm, solange er seinen Job gut macht". Was unweigerlich die Frage aufwirft, was denn der konkrete Job des Bundespräsidenten ist. Hier scheiden sich die Geister. Die Verteidiger sind der Ansicht, daß Repräsentieren und Gesetze unterzeichnen die einzigen Aufgaben sind, auf die es ankommt. Die Kritiker eher, daß der Präsident eine Vorbildfigur ist und in erster Linie integer zu sein hat.


Hier findet sich auch der Anfangsschaden: Mit seiner Salamitaktik schon bei der Aufklärung der Kreditsache (von einer Affäre will ich hier nichtmal sprechen) und den immer wieder folgenden Entschuldigungen für das, was sich ohnehin nicht mehr vertuschen ließ, hat er schon gezeigt, daß er kaum das Format hat, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Hier greift dann auch die o.g. Schadensvergrößerung durch die Vorfälle an sich. Er zeigt dadurch, daß er selbst auf einem gut bezahlten Posten wie dem des Ministerpräsidenten (immerhin über 150.000€ im Jahr) nicht in der Lage ist, den ihm vorgehaltenen Versuchungen zu widerstehen.

Grundsätzlich kann kaum jemand behaupten hier etwas Besseres zu sein. Wer einen günstigen Kredit für sein Traumhäuschen angeboten kriegt, bis zur Lieferung seines Wagens als "Entschuldigung" für die lange Wartezeit einen Leihwagen bekommt oder nette Herren, mit denen man sich gut versteht und ggf. schon ein paar lustige Abende verbracht hat, in ihrer Finka besuchen fährt, wird dies kaum ausschlagen oder auch nur einen stichhaltigen Grund für eine Ablehnung finden können. Des kleinen Mannes Sonnenschein eben.

Und genau das ist es, über das Wulff letztlich gestolpert ist. Durch sein Verhalten hat er gezeigt, daß er nicht besser ist als der Rest der Bevölkerung. Das er ebenso kleinbürgerlich und -kariert ist wie jeder Andere auch und das er nicht den Schneid hat, das ihm verliehene Amt souverän auszuüben. Wie sollte so ein Mann in der Lage sein sich gegen die Regierung (die dazu noch sein eigener Steigbügelhalter ist) zu stellen und ein evtl. verfassungsfeindliches Gesetz abzulehnen wie zu ihren Zeiten ein von Weizäcker, Heuss oder Köhler?
Da passt auch das vermeindliche kleben am Sitz ins Bild. Christian Wulff ist nicht dumm und weiß sehr wohl, daß das Amt des Bundespräsidenten den Gipfel seiner Karriere darstellt von wo aus es nurnoch Berg ab gehen kann. In seiner Kleinbürgerlichkeit versucht er alles um diesen ja grad eben erst erreichten Gipfel nicht postwendend wieder verlassen zu müssen.

Durch sein Verhalten und auch durch die Tatsache, daß die CDU mit der einseitigen Bestimmung Wulffs zum Präsidenten offensichtlich bloß das alte Postenschacher-Spiel gespielt hat um einen treuen Vasallen zu belohnen wurde das Amt nicht nur beschädigt, sondern regelrecht zerstört. Jeglicher Glanz und Patos vom staatstragenden Vater der Nation ist abgebröckelt und es bleibt einzig die Patina des schmutzigen Politikgeschäfts, die eine der Hauptursachen für die weitreichende Politikverdrossenheit in unserem Land ist.

Man muß sich jetzt ernsthaft die Frage stellen, ob das Amt des Bundespräsidenten überhaupt noch zeitgemäß ist. Den Politikklüngel kann der Glanz des Schlosses Bellevue nicht mehr überstrahlen. Die Funktion des Präsidenten - letztlich auch nur ein Relikt des Deutschen Reichs - ist ohnehin marginal. Ein offener Dialog, ob und wie man diese Grundsäulen des Staates reformieren kann, wäre vllt. der richtige Ansatz um unsere Demokratie wieder auf einen vernünftigen Kurs zu bringen.